Ein neuer Stern begann zu leuchten
Man kann nicht mehr nur sagen die Tage, ja es sind schon die Wochen, die ins Land ziehen. Die Zeit scheint an manchen Tagen wie still zu stehen, an anderen ist der Tag schon vorbei bevor er überhaupt angefangen hat.
Nachdem wir angekommen und uns orientiert hatten, haben wir für eine Woche in der Schule mit ein paar wenigen Schülern kunsttherapeutische Übungen gemacht. Das Zusammenfinden der Kinder stellte sich leider als etwas schwierig heraus, da alle in einer schönen Urlaubsstimmung waren und wir nur sehr unregelmäßige Besucher unserer Gruppe hatten. Trotz dieser Hürden hatten wir aber eine sehr schöne Woche und Arbeit. Es war ein sich Annähern, Kennenlernen und Vortasten. Die Kinder waren total wild auf das Malen, doch wollten wir auch noch andere Übungen mit einfließen lassen. Das war erst einmal sehr ungewohnt für sie. Kannten sie sich doch alle schon beim Namen, und nun wollten wir Kennenlernspiele durchführen. Am Ende fanden sie unsere Übungen aber gut und so kam z.B. ein Junge eines Tages in den Raum und fing sofort mit der Übung an und strahlte dabei über sein ganzes Gesicht. Er konnte kaum Englisch, aber durch die Bewegung konnten wir uns ganz gut verständigen.
Wir hatten uns das Thema Portrait ausgesucht, da es auch viel mit dem sich Kennenlernen zu tun hat. In dem Sinne stand unsere Woche unter dem Motto sich selbst und den Anderen auf neue Art und Weise zu begegnen. Als erstes sollten sich die Kinder im Spiegel selbst betrachten und dann versuchen, aus dem Gedächtnis das Gesehene, sich zu malen/zeichnen. Im Verlauf der Woche brachten wir noch das Thema Emotionen mit hinein und führten Übungen durch, wie das Gesicht zu einer bestimmten Stimmung aussehen könnte. Es war interessant festzustellen, dass dieses Thema den Kindern sehr schwer fiel. Zu manchen ganz einfachen Emotionen konnten sie gar kein Gesichtsausdruck finden. Selbst das Benennen und Sammeln, was bei diesem Gefühl in einem Menschen passiert, wie man sich fühlt, fiel ihnen schwer. Das ist sicherlich noch ein Thema, welches uns später wieder begegnen und beschäftigen wird. Für den Anfang haben wir es bei sehr einfachen Übungen dazu belassen. Wir zeichneten unsere Gesichter auch blind. Es sollten Übungen sein, um zu schauen, wie die Kinder zu sich in Kontakt stehen. Auch hier hatten einige große Probleme. Das Augenschließen machte ihnen Angst, sie waren unsicher, ob ihrer Fähigkeiten, vor allem, weil ein Blindportrait einfach nicht direkt nach einem richtigen Gesicht aussieht. Das war nicht einfach anzunehmen.
Am Ende der Woche konnten wir eigentlich ganz gut sehen, wo die Kinder so einzeln stehen. Es war eine schöne und anstrengende Woche zugleich. Immer wieder wurde unsere Stunde unterbrochen, weil ein Lehrer reinkam und etwas aus dem Klassenraum holte oder will ein Kind plötzlich unruhig wurde und raus wollte. Wir sind schon sehr gespannt darauf, so richtig in die Arbeit mit Ukubona einzusteigen und mit den Kindern auch handwerklich in und mit der Natur zu arbeiten. Das wird sicherlich noch einmal eine ganz andere Dynamik ergeben und neue Räume eröffnen. Auch hatten wir jetzt Kinder sehr unterschiedlichen Alters. Im Januar wird es dann Gruppen mit ähnlicherem Alter geben.
Dann war diese Woche auch schon vorbei und die Schule schloss ihre Türen für die Sommerferien. Diese Zeit wollten wir nutzen, um neue Kraft zu tanken, die bisherigen Ereignisse zu verarbeiten, uns zu orientieren und zu reflektieren, was wir gerade erlebt hatten. Auch wollten wir das Land und die Menschen besser kennenlernen. Wir hatten das Projekt ja aus der Ferne geplant. Eine von uns, Veronika, kannte das Land schon recht gut, aber die anderen beiden, Jette und Laura, waren zum ersten Mal hier in Südafrika und alles war neu und überwältigend in jeglichem Sinne.
Also beschlossen wir die Ferien zu nutzen, um ein bisschen in das Land hinein zu fahren, die Sitten und Verhaltensweisen zu beobachten, Materialien zu entdecken und etwas abzuschalten, um uns auf den Januar vorzubereiten.
Die darauf folgende Zeit war geprägt von vielen Eindrücken und Erlebnissen. Wir konnten die Xhosa Kultur auf ganz besondere Weise kennenlernen, indem wir einer Hochzeit beiwohnen durften. Das hat uns sehr tiefe Einblicke gewährt, für die wir dankbar sind.
Kapstadt und die Umgebung ist wunderschön. Es gibt so viele abwechslungsreiche Gegenden und Bereiche. Wenn man dann aber einmal über die Berge hinaus und weiter fährt, merkt man erst, wie weit und riesig das Land eigentlich ist. Kapstadt ist wie ein ganz besonderer Ort für sich. Vom Meer und den Bergen umgeben. Das macht etwas mit den Menschen. Das Land nun zeigte sich uns und wir weiteten unsere Augen und Arme und ließen es auf uns einwirken. Die Tage vergingen.
Silvester sollte der Start in ein neues, wunderbares Jahr werden. Alles begann hektisch in der Vorbereitung, aber schön in der Durchführung. Das Fest wurde dann durch eine sehr traurige Botschaft aus der Heimat auseinandergerissen. Dieser Tag wies uns in eine völlig neue, unerwartete Richtung. Keiner hatte diesen Weg voraussehen können. Für einen Augenblick blieb die Welt stehen, die Sterne fingen an zu leuchten, ein neuer, weit und hell strahlender Stern war hinzugekommen. Er wird immer da sein. Uns den Weg weisen.
Zwei von uns, Jette und Laura, flogen nach Deutschland zurück. Veronika blieb in Südafrika. Die zwei, fast drei Wochen bis heute waren sicherlich eine der schwersten. Es musste vielen neu strukturiert und umorganisiert werden. Aber vor allem musste Kraft gefunden und geschöpft werden.
Auch wenn wir wissen, dass solche Momente uns im Leben vielleicht immer wieder begegnen, niemand weiß, wie wir dann damit umgehen sollen, wenn sie uns erreichen.
Während in Deutschland Jette und Laura versuchten ihren Weg neu zu finden, versuchte in Südafrika Veronika das selbige. Nun kommen Jette und Laura wieder zurück nach Kapstadt. Es wird sich alles verändern. Die Aufgaben müssen neu verteilt und geordnet werden. Die Hände einander gereicht werden. Gemeinsam wollen wir diesen Weg gehen.
Ukubona wird es weiter geben. Am Dienstag fängt die Schule wieder an. In der darauf kommenden Woche werden wir dann richtig in unsere Aufgaben und Vorhaben eintauchen. Bis dahin werden die Wege noch gezeichnet.