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Kapstadt

Wenn wir früher über den Ort sprachen, an welchen wir reisen wollten, dann fiel immer wieder dieser eine Name. Doch kann man eigentlich nur so halb davon sprechen, nun, nach etwas mehr als einer Woche hier sein. Zum arbeiten sind wir in Khayelitsha und zum wohnen sind wir in Plumstead untergebracht, einem der Southern Suburbs. Eigentlich zählt es zu Kapstadt, aber es fühlt sich nicht so richtig danach an. Wir haben über eine Woche gebraucht, um es überhaupt mal zwischen die Häuser der Stadt zu schaffen!

Der Flug war lang und anstrengend.

Da erhob sich die Sonne über dem Horizontstreifen.  Ein erhabener Moment, welcher von Ergriffenheit vervollständigt wurde beim Erblicken der unter uns vorbeigleitenden namibischen Wüste. Majestätisch hoben sich die Sandhügel in ihren Konturen gen Himmel. Erleichterung spürten wir aber erst, als wir sicher gelandet waren.

Was für ein Gefühl. Es war keine Idee, kein Gedanke mehr, nun war es Realität. Das Land erhob sich und hüllte uns ein. Dieses Gefühl sollte sich die kommende Zeit noch intensivieren und steigern.

Da wir nicht wussten, was uns nun so alles erwarten würde, fühlten wir doch auch eine gewisse Anspannung in unserer Brust. Abgeholt wurden wir von einem Freund (Kumbi). Unsere vorläufige Unterkunft: das Center for Creative Education. Hier werden LehrerInnen und EurytmistInnen ausgebildet, Seminare gehalten und Freiwillige koordiniert. Mit auf dem Gelände liegt auch eine heilpädagogische Schule. In diesem Center erwartete uns schon Johanna, eine Mitarbeiterin und unsere Kontaktperson der letzten Monate. Von ihr bekamen wir eine Einführung in unsere Wohnsituation und einen kleinen Rundgang. Unser Zimmer liegt im hinteren Teil des Gebäudes. Eigentlich wohnt hier eine (oder mehrere?) Studentin, aber diese ist bis Mitte/Ende Januar in die Sommerferien/Weihnachtsferien gefahren, zu ihrer Familie. So haben wir das Glück in ihrem Zimmer wohnen zu dürfen. Es ist alles sehr einfach gehalten, aber wir haben ein sicheres Dach über dem Kopf, Dusche und Küche, die wir mit benutzen dürfen (es  wohnen noch der Hausmeister und weitere Studenten des Centers auf dem Gelände).

Dann waren wir auch schon wieder allein und wollten die Zeit nutzen, um zu versuchen innerlich etwas anzukommen. Doch eigentlich gab es dafür keine Zeit.

Dieser erste, sich vor uns ausbreitende Tag steht für einen rasanten Beginn, welcher auch in den darauf folgenden Tagen keinen Abbruch oder Veränderung fand. Nach einem kurzen Einkauf in nahegelegenen Supermarkt fuhren wir mit Kumbi nach Khayelitsha zur Zenzeleni Waldorf School. Wir passten die Mittagspause ab, um die LehrerInnen anzutreffen. Hier platzen wir nun aber nicht in eine normale Pause, sondern in das sogenannte Lehrerwichteln mitten hinein. Die LehrerInnen saßen alle zusammen in einem Raum, hielten kleine Reden und verteilten sich gegenseitig Geschenke. Uns sprang förmlich ein Stück Kultur entgegen. Nicht das Wichteln, aber der Umgang der LehrerInnen mit- und untereinander, eine große Familie. Es war überwältigend. Als sie ihre Runde beendet hatten, wurden wir lautstark begrüßt und jeder stellte sich vor (wir natürlich auch).  Dann löste sich die Runde wieder auf und wir fuhren in unser neues Zuhause, um uns dort etwas besser einzurichten.  So verging der Tag, von einem Erlebnis ins andere. Gerade erst angekommen, schon mit den so weit auseinanderklaffenden Unterschieden der Lebensverhältnisse des Landes konfrontiert. Gerade noch in der Luft, jetzt schon mittendrin. Der Tag fand kaum ein Ende, als er dann doch zu Ende ging fühlte es sich an als hätten wir gerade mehrere Tage hintereinander erlebt.

Am nächsten Tag waren wir wieder in der Schule und wurden auch schon erwartet und an einen gemeinsamen Tisch gebeten, um unsere erste Besprechung mit einem Teil des Kollegiums zu haben. Überforderung. Das hatten wir gar nicht als Erstes erwartet. Schnelles Umdenken, alles in Englisch, unvorbereitet und doch alles parat, denn die Idee von Ukubona tragen wir mittlerweile tief in unserem Herzen und auf der Zunge sowieso. Für diese angefangene Woche würden wir nun einfach in die Schule kommen und mitmachen. Das hieß, da die Schulferien so kurz vor der Türe standen, die letzte Unterrichtseinheit erleben und der Verabschiedung der 7. Klasse beiwohnen dürfen. Für die kommende Woche wollten wir dann mit ein paar Kindern gerne eine kunsttherapeutische Einheit gestalten. Dass Kinder kommen, darum wollten sich die Lehrer kümmern. Nach der Besprechung ging es direkt in eine Unterrichtsstunde der ersten Klasse. Hier wurde das Weihnachtsspiel aufgeführt. Es blieb also keine Atempause.

Bisher waren wir nur mit dem Auto unterwegs gewesen. Heute wurden wir nun nicht zurück ins Center, sondern bis Muizenberg gebracht und so nahmen wir von dort den Zug nach Plumstead. Das war eine ganz neue Erfahrung. Und eine erschreckende zugleich - die „untere Klasse“ war völlig überfüllt und dreckig, die „bessere Klasse“ kann sich eben nicht jeder leisten. Es gibt viel Polizeipräsenz, was aber nicht unbedingt beruhigend wirkt, sondern fast einschüchternd und Angst machend. Dieser Erfahrung folgten in den nächsten Tagen noch der Minibus und der Golden Arrow Bus, mit welchem wir täglich dann zur Schule fuhren. Die Bushaltestelle in Khayelitsha liegt wirklich um die Ecke zur Schule, also eigentlich perfekt. Es ist trotzdem schon etwas gewöhnungsbedürftig, mitten im Township auszusteigen. Aber wir sind nur netten Busfahrern begegnet (nach ein paar Tagen kennt man sich auch schon ganz gut und begrüßt sich freudig) und auch hilfsbereiten Menschen, die uns bei der anfänglichen Wegsuche geholfen haben.

Um einen besseren Blick auf unser Leben hier zu geben, werden wir drei versuchen einen kleinen ganz persönlichen Einblick in unser Erleben zu geben. Diese wird nach und nach auch hier folgen.

Die Farewell-Feier für die 7. Klasse war ein sehr ergreifendes und schönes Erlebnis.  Begonnen wurde tatsächlich mit keiner wirklich  großen Verspätung, was ein Glück (man muss sagen, die Zeit ist hier doch einfach eine andere, im Vergleich zu der unseren im sehr korrekten, zeitdenkenden Deutschland). Es gab emotionale Reden von LehrerInnen und auch SchülerInnen, es wurden Gedichte vorgetragen und Blockflöte gespielt, dazwischen gab es eine kleine Eurythmieperformance und auch Gäste und Eltern haben den Kindern verbal etwas mit auf den Weg gegeben -  vor allem etwas über Respekt den Eltern gegenüber und der Wichtigkeit von guter und fleißiger Arbeit. Danach gab es noch Essen und ein großes Verabschieden. Wir haben uns ins Wochenende verabschiedet, mit einem völlig unwissenden Blick auf die kommende Woche, ob und wenn wie viele Kinder denn nun eigentlich kommen würden.

In den letzten hinter uns liegenden Tagen durften und mussten wir viele unterschiedliche Dinge erleben und durchleben. Dazu zählt mehrfacher Stromausfall und das Fehlen von Wasser in unserem neuen Zuhause. Aber wir fanden immer wieder kreative Lösungen zu jedem auftauchenden Problem.

Soweit zu unseren ersten Tagen hier im sonnigen und windigen Kapstadt/Khayelitsha. Über unsere erste kunsttherapeutische Einheit werden wir bald an dieser Stelle berichten.